Die Volksgesundheit und Datenwut im 3. Reich

Wer hätte gedacht, dass das akribische sammeln personenbezogener Informationen, durch die Gesundheitsbehörden und im Anschluss durch die Landesämtern für Rassenwesen zentral erfasst und ausgewertet wurden, eines der signifikanten Merkmale der Volksgesundheit im Deutschen Reich unter der Führung Adolf Hitlers waren.

Auszug aus dem Bericht „Die Volksgesundheit im 3. Reich“.

Bei der Durchsetzung einer nationalsozialistischen Gesundheitspolitik
war das Gesundheitsamt als alleiniger Träger des öffentlichen Gesundheitsdienstes von zentraler Bedeutung. Die Gesundheitsämter waren in den Stadt- und Landkreisen auf der unteren Verwaltungsebene angesiedelt und den Landesregierungen als Aufsichtsbehörde unterstellt, die durch regelmäßige Visitationen die Arbeit vor Ort kontrollierten. Neben dem Amtsarzt als leitendem Beamten waren, je nach Einwohnerzahl und Problemlagen, Hilfsärzte, Gesundheitsaufseher, medizinisch-technische Gehilfinnen und Assistentinnen, Gesundheits-pflegerinnen, Desinfektoren sowie Bürokräfte im Gesundheitsamt tätig.

Nach der Machteroberung durch die Nationalsozialisten wurden die Gesundheits-ämter wie der gesamte öffentliche Dienst personell „gesäubert“.

Auf Basis des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufs-beamtentums“ vom 7.April 1933 erhielten vor allem jüdische Mitarbeiter, aber auch Anhänger der linken Arbeiterparteien und andere politische Gegner der NSDAP ein Berufsverbot. In Thüringen musste beispielsweise der jüdische Kreisarzt Fritz Noack (1890-1968) aus dem Staatsdienst ausscheiden.

Im Stuttgarter Gesundheitsamt wurde die Gesundheitsfürsorgerin Emilie Levi (1886-1942) zwangsweise „in den Ruhestand versetzt“, weil sie Jüdin war.
Der Großteil der Amtsärzte blieb nach 1933 im Amt, die meisten waren, soweit bekannt, politisch konservativ oder deutschnational eingestellt. Ihnen kam in der national-sozialistischen Gesundheitspolitik eine Schlüsselrolle zu, die zugleich Anerkennung als auch Machtzuwachs bedeutete.

Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen wiesen Ärzte allgemein die höchste Affinität zum Nationalsozialismus auf.

So gehörten in den Gesundheitsämtern in Württemberg 64% und in Thüringen 73% der Ärzte der NSDAP an. Eine positive Einstellung gegenüber der staatlichen Gesundheitspolitik lässt sich u.a. aus ihren nebenamtlichen Tätigkeiten als Vertrauens-, Betriebs- oder Lagerärzte in NS-Einrichtungen wie dem Hauptamt für Volksgesundheit, dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP, den Gesundheitsdiensten von BDM, H), der Deutschen Arbeitsfront oder der NS-Volkswohlfahrt ablesen.
Obwohl Amtsärzte die zentralen Akteure in den Gesundheitsämtern und bei der Umsetzung der staatlichen Gesundheitspolitik waren, entsprach ihre berufliche Situation nicht dieser Bedeutung: Sie war gekennzeichnet durch eine relativ geringe Grundbesoldung, hohe Anforderungen an das Ausbildungsprofil und geringe Aufstiegs-chancen – gerade für Ärztinnen – bei gleichzeitiger Äusweitung der Tätigkeits-bereiche, schlechter Ausstattung und Personalknappheit in den Gesundheitsämtern.

Gesundheitsamt und Sterilisation

Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 legitimierte die Zwangssterilisation von Menschen, die nach einem Indikationskatalog vorgeblich von „erblich bedingten“ Krankheiten betroffen waren. Dazu zählten u.a. kognitive Einschränkungen, Schizophrenie, manisch-depressive Er-krankungen, Epilepsie, aber auch Taubheit
und Blindheit sowie schwere körperliche Behind-erungen und Alkoholismus.

Das Gesundheitsamt war mit dem dort tätigen Amtsarzt maßgeblich für die Umsetzung dieses Gesetzes verantwortlich. Hier gingen die An-
zeigen von Ärzten, Fürsorgerinnen, Hebammen, Heilpraktikern und anderen Beschäftigten in Gesundheitsberufen ein. Sie waren bei Verdacht
auf _Erbkrankheit* verpflichtet, ihnen anver-traute Personen anzuzeigen.
In wenigen Fällen wurden auch Selbstanzeigen von Betroffenen oder von deren gesetzlichen Vertreter gestellt. Die Prüfung oblag dem Amts-arzt. Dazu konnte er die Betroffenen zu einer amtsärztlichen Untersuchung vorladen und ggf ergänzende Ermittlungen anstellen. Der einzelne Amtsarzt hatte hier einen nicht zu unter-schätzenden Ermessensspielraum.
Diagnostizierte er eine der im Gesetz festgelegten „Krankheiten“, leitete er den Antrag auf Zwangs-sterilisation an das zuständige Erbgesundheits-gericht weiter, das über die Sterilisation ent-schied. Dem Gericht gehörte neben einem Amts-richter und einem mit Erbgesundheitsfragen gut vertrautem Arzt auch ein Amtsarzt an. Gegen den Beschluss zur Zwangssterilisation konnten die Betroffenen Beschwerde bei einem Erbgesund-heitsobergerichteinlegen. Das Gericht, dem ebenfalls ein Amtsarzt angehörte, traf die letzt-gültige Entscheidung.

Nach einem rechtskräftigen Urteil überwachte der Amtsarzt die Umsetzung der Entscheidung und forderte die verurteilten Personen auf, die Zwangssterilisation in einem von den Behörden dafür bestimmten Krankenhaus vornehmen zu
lassen, Weigerten sich die Betroffenen, konnte der Amtsarzt polizeiliche Maßnahmen einleiten und eine zwangsweise ins Krankenhaus veranlassen, Bei schwangeren Frauen, die zur Sterilisation verurteilt worden waren, konnte ab 1935 mit dem Eingriff bis zum 6. Monat noch
ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden.
Nach erfolgreicher Zwangssterilisation wurde der Amtsarzt schriftlich informiert. Die Akten des Verfahrens verblieben im Gesundheitsamt, wo sie im Rahmen des „erbbiologischen Erfassungs-programms“ weiter ausgewertet wurden.

Auszug aus einem Interview mit Frau Minkus
für den TV-Film „Nazi-Unrecht an Gehörlosen*
Bayerischer Rundfunk, 1981 u. 1982.
(Abgedruckt in: Horst Biesold, Klagende Hände. Betroffenheit und Spätfolgen in bezug auf das
Gesetz zur Verhütung erkranken Nachwuchses, dargestellt am Beispiel der Taubstummen,
Solms-Oberbiel 1988, S. 47)

Zum 1. Januar 1934 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Die genaue Anzahl der Menschen, die auf dessen
Grundlage bis zur Befreiung von der NS-Diktatur 1945 zwangssterilisiert wurden, ist nicht bekannt. Schätzungen belaufen sich auf 300.000 bis 400.000 Menschen. Etwa 5.000 von ihnen – mehrheitlich Frauen – starben an den Folgen des Zwangseingriffs.
Die Quote der von den Zwangssterilisationen Betroffenen fiel regional und zwischen einzelnen Gesundheitsämtern sehr unterschiedlich aus.
Regionale Unterschiede lassen sich u.a. auf die Forderungen und Vorgaben der Gesundheits-verwaltungen der jeweiligen Länder zurück-
führen. Die württembergische Verwaltung verfolgte mit Rücksicht auf Proteste in der Bevölkerung einen zurückhaltenden Kurs und übte wenig Druck auf die Gesundheitsämter aus. In Thüringen wurde hingegen ein eigenes, Landesamt für Rassewesen“ gegründet, das in Fragen der „Erb- und Rassenpflege“ die Aufsicht über die Gesundheitsämter hatte und auf eine strilte Anwendung des Gesetzes achtete. Die unterschiedliche Gewichtung der vielfältigen Aufgaben und die personelle Ausstattung der Gesundheitsämter vor Ort spielten ebenfalls eine Rolle. Und schließlich beeinflusste die persönliche Einstellung des einzelnen Amtsarztes zur _Erb- und Rassenpflege“ ihr konkretes Handeln: Katholische Amtsärzte leiteten beispielsweise deutlich seltener Verfahren zur Zwangs-sterilisation ein, da Papst Pius X1. mit der Enzyklika Casti Connubii (1930) Sterilisationen untersagt hatte.

In der Bevölkerung regte sich bald
Protest gegen die Verfahren zur Zwangssterilisation

Es gab viele Beschwerden über ungerechte Behandlung und Fehldiagnosen, Die Untersuchungen der Amtsärzte wurden als einschüchternd und oberflächlich empfunden. Viele Betroffene beschwerten sich persönlich bei der Führung der NSDAP oder bei Regierungsstellen – fast immer ohne jeglichen Erfolg. Der Zwangseingriff und die
damit verbundene Kinderlosigkeit wirkten oftmals traumatisierend und zogen psychische
und physischen Leiden nach sich. Betroffene fühlten sich entwürdigt und stigmatisiert. Noch 1987 hielt eine Frau fest: „[Ich] habe mein
sehr darunter gelitten u. doch … aus Scham
nicht darüber gesprochen.“

Gesundheitsamt und Eheberatung

Tafel aus der Propaganda-Ausstellung Blut und Rasse“, 0.D. (um 1936). Der Text lautet: Deutsche Frauen / Ihr seid die Hüterinnen der Blutsreinheit. / Nicht diese … sondern diese … sind die Männer der Zukunft. (Deutsches Hygiene-Museum, DHMD 2006/393.4) Tafel aus der Propaganda-Ausstellung _Blut und Rasse“, .D. (um 1936). Der Text lautet: Deutsche Männer / Achtet die Frauen! / Sie sind die Mütter Eurer Kinder. / Nicht diese … sondern diese … sind die Mütter kommender Geschlechter. (Deutsches Hygiene-Museum, DHMD2006/393.3) – Die Eheberatung. Aus der der Lichtbildreihe Vererbung, Rassenhygiene des Deutschen
Hygiene-Museums, .D. (um 1923). (Deutsches Hygiene-Museum, DHMD 2002/1386)
Ausschnitt aus einem Schaubild zum – Ehegesundheitsgesetz*. (Deutsches Gold, Gesundes Leben – Frohes Schaffen. München 1942, $. 631)

Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

The Eugenics Record Office at Cold Spring Harbor, 1910-1940: an Essay in Institutional History
Garland E. Allen
Washington University in St Louis, GAllen@WUSTL.EDU
Follow this and additional works at: https://openscholarship.wustl.edu/bio_facpubs

Part of the Biology Commons, Genetics Commons, History of Science, Technology, and
Medicine Commons, and the United States History Commons Recommended Citation
Allen, Garland E., „The Eugenics Record Office at Cold Spring Harbor, 1910-1940: an Essay in Institutional History“ (1986). Biology Faculty Publications & Presentations. 141.
https://openscholarship.wustl.edu/bio_facpubs/141

1999 – A Federal Emergency Response Apparatus: A Need for Change?

https://archive.org/details/DTIC_ADA363878/page/n16/mode/1up

In the next decade, the United States, as the only world superpower, will face a strategic environment characterized by significant uncertainty and ambiguity. Inherent in this environment will be new, asymmetric threats to our national security, both at home and abroad. Transnational terrorist and criminal organizations, using the latest technology, will gain increased access and ability to employ weapons of mass destruction (WMD) within our borders. The Federal Response Plan is an over-complicated attempt at coordinating numerous federal departments and agencies for effective response to domestic crisis situations. Early warning and preemption would certainly be the best response to WMD attack, but bureaucratic rivalry within the U.S. Intelligence Community hinders the focus necessary to consistently achieve that goal. This paper examines and recommends changes to the federal domestic crisis response apparatus, in a search for greater efficiency and unity of effort in preparing the nation for WMD attack.

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