Empire: Die neue Weltordnung & Prekarisierungsgesellschaft

Campus Verlag, 2003, von Michael Hardt, Antonio Negri

https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=xFMxDwAAQBAJ&oi=fnd&pg=PA8&dq=info:mbz8ltOGMpgJ:scholar.google.com/&ots=apULZKUkjZ&sig=Q1wofmOmYCJv5pTh2ZjDYZ3gHms&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false

Nach einem Vierteljahrhundert politischer Theoriemüdigkeit haben Hardt und Negri mit ihrer brillanten, provokanten und heiß diskutierten Analyse des postmodernen Kapitalismus im Zeitalter der Globalisierung das Denken wieder in Bewegung gebracht. Der Hoffnung auf die politische Gestaltbarkeit einer neuen, gerechteren Weltordnung haben sie damit ein anspruchsvolles theoretisches Fundament gegeben.“ Eine grandiose Gesellschaftsanalyse, die unser Unbehagen bündelt und ihm eine Richtung gibt, für die in der Geschichte der Philosophie das Wort vom’guten Leben’steht.“ Die Zeit“ Das Jahrzehnt linker Melancholie ist vorüber.“ Neue Zürcher Zeitung ???

Empire: Die neue Weltordnung


Die Prekarisierungs-gesellschaft. Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung

Oliver Marchart

transcript Verlag, 2013

Zwei Jahre nachdem eine Expertenkommission des Vatikan die Institution der Vorhölle offiziell für geschlossen erklärt hatte, verkündete der französische Soziologe Luc Boltanski, dass Europa tatsächlich zu einer Vorhölle geworden sei (Boltanski 2011). Seine Kantate für mehrere Stimmen zeichnet ein erschreckend realistisches Bild jenes Zwischenreichs, in dem wir endlos darauf warten, vielleicht doch noch erwählt zu werden, doch noch in die Zone der Sicherheit, der Anerkennung und des Erfolgs aufzusteigen, während unter unseren Füßen die sozialen Sicherungsnetze aufgetrennt werden. Die folgende Untersuchung geht davon aus, dass dieser Zustand am besten mit dem Begriff der Prekarisierungsgesellschaft bezeichnet wird–dem sozialdiagnostischen Äquivalent des theologischen Konzepts der Vorhölle. In der Prekarisierungsgesellschaft sind alle–bis auf eine schmale Schicht von finanziell Superabgesicherten–existenzieller Verunsicherung ausgesetzt, und das schon allein deshalb, weil die sozialen Sicherungssysteme an Erwerbsart gekoppelt sind und deren Status zunehmend prekär wird.» Die Prekarisierung betrifft alle «, so André Gorz. Denn:

Jeder Einzelne von uns weiß, fühlt, begreift sich als potentiell arbeitslos, potentiell prekär beschäftigt, potentiell auf Teilzeit-, Termin-oder Gelegenheitsjobs angewiesen. Aber was jeder und jede Einzelne weiß, wird noch lange nicht zum allgemeinen Wissen über unsere gemeinsame Lage. Vielmehr setzt der herrschende öffentliche Diskurs alles ein, um uns unsere gemeinsame Lage zu verschleiern, um zu verhindern, daß wir die Prekarisierung unserer Erwerbsverläufe als ein gesellschaftlich verursachtes Risiko erkennen, das uns alle als Angehörige dieser Gesellschaft betrifft: Als »soziale Individuen«, wie sie Marx nannte, und nicht als Einzel- oder gar Privatpersonen. (Gorz 2000: 76)

Prekarisierung, so der Einsatz der vorliegenden Untersuchung, ist kein marginales oder patikulares Phänomen. Sie betrifft nicht eine kleine Gruppe von Abgehängten oder Ausgeschlossenen, sondern nahezu alle. Das heißt: Prekarisierung ist ein Phänomen von gesamtgesellschaftlicher Tragweite. Das Konzept der Prekarisierungsgesellschaft erlaubt es, das Phänomen in seiner ganzen Tragweite auf den Begriff zu bringen. Der theoretische Status dieses Begriffs entspricht dem Status jener Kategorien, die Bruno Latour als Panoramen be- zeichnet: 360-Grad-Darstellungen des sozialen Raums. Darunter zählt Latour zum Beispiel Becks Risikogesellschaft, und man kann an vergleichbare Konzepte wie Mediengesellschaft, Wissensgesellschaft, Informationsgesellschaft, Beschleunigungsgesellschaft, Disziplinargesellschaft usw. denken. Man könn- te unterstellen, wer solche Gesellschaftspanoramen entwirft, sei vom imperia- listischen Drang beseelt, die Welt unter einen Nenner zu zwingen. Aber das ist nicht notwendigerweise der Fall. Ein Panorama ist auch, ja vor allem dann produktiv, so Latour, wenn es nicht mit Alleinerklärungsanspruch, sondern als möglicher Erklärungsansatz unter vielen vorgetragen wird. Ja, vielleicht sind Panoramen sogar notwendig, da wir ansonsten keine Möglichkeit haben, scheinbar divergente Sozialphänomene in ihrem Zusammenhang darzustellen. Aus Panoramen, so Latour, gewinnen wir »unsere Metaphern für das, ›was uns miteinander verbindet‹, für die von uns angeblich geteilten Leidenschaften, für den allgemeinen Grundriß der Gesellschafts- architektur und die Erzählungen, mit denen wir diszipliniert werden« (Latour 2007: 326). In diesem Sinne erlaubt der Begriff der Prekarisierungsgesellschaft, Gemeinsamkeiten und Überschneidungen sozialer Entwicklungen hervorzuheben, wo man andernfalls keine sehen oder sie gar verleugnen würde.

Die vorliegende Untersuchung ist aus einem von mir geleiteten Forschungsprojekt zu Protest, Medien und Prekarisierung hervorgegangen, das von 2006 bis 2012 an der Universität Luzern angesiedelt war und an dessen Durchführung Marion Hamm, Stephan Adolphs, Mario Vötsch, Armin Betschart, Jonas Aebi und Hanna Pütters beteiligt waren. Die Untersuchung wird von zwei weiteren Büchern begleitet, man könnte auch sagen: von zwei Seiten her abgestützt. Ein Zwillingsband mit dem Titel “Facetten der Prekarisierungsgesellschaft” (Marchart 2013a) versammelt Aufsätze, die aus unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Perspektiven – wie der pragmatischen Soziologie, der Gouvernementalitätsstudien, der Regulationstheorie, des Postoperaismus, der Systemtheorie oder der Diskursanalye – die zunehmende Prekarisierung von Arbeit und Leben beleuchten. Dem Sammelband lag, wie auch der vorliegenden Untersuchung, der Gedanke zugrunde, dass sich ein hinreichend komplexes Bild der Prekarisierungsgesellschaft nur qua sozialwissenschaftlicher »Triangu- lation« zeichnen lässt. Von der anderen Seite wird die Untersuchung gestützt durch eine Monographie mit dem Titel Das unmögliche Objekt. Eine postfunda- mentalistische Theorie der Gesellschaft (Marchart 2013b), in der die gesellschaftstheoretischen Grundlagen entwickelt werden, die auch die Rede von der Prekarisierungsgesellschaft stützen.
Dank geht an alle Projektbeteiligten, an die Universität Luzern, an den Schweizerischen Nationalfonds SNF für die Förderung des Projekts und an die Forschungskommission der Universität Luzern für die Unterstützung der bei- den Buchpublikationen.

Auf

https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/32944/579941.pdf?sequence=1

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